Donnerstag, Dezember 14, 2006

wanderungen im limbischen system.

jetzt: neulich war ich auf reisen. und, brauch ich dir nicht zu erzählen, das a und o einer jeden reise ist natürlich die bewegung von a nach b - nicht selten, weil das a dich irgendwann einschläfert wie ein mantra: die alltäglichen wege, die du gehst, und die alltäglichen dinge, die du tust. da kann es schon einmal passieren, dass du vor lauter a den walt nicht mehr richtig schreibst.

dann doch lieber mal nach b. dort wanderst du auf einen berg oder durch ein paar bäume hinweg, findest beauty auf einer farm oder läßt dir im kurhotel vom fachkundigen personal einen tee servieren. jedenfalls: die meisten menschen wollen auf so einer reise ihre seele baumeln lassen. aber, wie soll ich es jetzt sagen, was nun genau geschieht, wenn man selbst in der seele baumelt, davon möchte ich dir heute ein bisschen was erzählen, pass gut auf.

das war so. ich studierte dem ende entgegen. und nun ist es ja oft so, dass, bevor das ende zu ende geht und etwas neues anfängt, dass also dort, am ende, gern einmal eine große fragerei veranstaltet wird. prüfungen quasi. da ich mich hier und da mit gott und der seele beschäftigt hatte, wählte ich zwei gedankenakrobaten, die ein bisschen in diese richtungen jongliert hatten. der eine war franzose und hatte lange zeit in den niederlanden meditiert - höchstwahrscheinlich, weil es damals schon so liberal war und er dort mit verschiedenen substanzen herumexperimentieren konnte (später hat der franzmann dann behauptet, es gebe eigentlich nur zwei substanzen). und ob du es glaubst oder nicht: dem seine duftkerze ist daran schuld, dass die moderne angefangen hat. einen ganz berühmten satz hat dieser mensch auch mal geschrieben, ich komm jetzt nicht drauf, ist was lateinisches, jedenfalls hat es was mit mentaler fitness zu tun.

aber von dem franzosen wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. denn man munkelt, dass ihm, renatus cartesius mit namen, das ganze brimborium mit gott und seele ziemlich schnuppe gewesen sein soll. ganz anders bei dem zweiten gedankenakrobaten. da geht es um die unsterblichkeit der seele, mit dem ganzen pro und contra wie du es vielleicht aus der zeitung oder der talkshow her kennst. sehr interessante bücher hat der geschrieben. und wo ich eben sage talkshow. dem seine bücher ähneln irgendwie allesamt drehbüchern für talkshows: dialoge gibt es da noch und nöcher, und dazu auch einen held, der mit seinen fragen in einer art freiluft-talkshow den mitbürgern manchmal gehörig auf die nerven gegangen sein muss. ja, ich möchte sagen, dass es der berühmteste talkmaster der antike gewesen ist, einer, der es ganz genau hat wissen wollen, ein richtiger sherlock holmes des geistes war das. und wenn dieser gedanken-sherlock mal so richtig in fahrt war, dann war das eigentlich keine talkshow mehr, denn monologe hat der halten können, mein lieber. seine gäste hat der übrigens entweder zur weißglut gebracht oder so geschickt in die ecke getalkt, dass sie nur noch folgendes antworten konnten:

"es ist gewiss so, wie du sagst."
"freilich."
"das glaube ich wohl."
"vollkommen wahr."
"gewiss."
"ja, so ist es."

also vielleicht doch eher derrick als talkshow. nun ja. wo war ich stehen geblieben. achso: unsterblichkeit der seele. da gibt es also einen berühmten dialog dieses drehbuchschreibers, wo mal wieder sein begriffs-sherlock als talkmaster mit ein paar leuten zusammensitzt. und die situation ist die, dass gleich jemand ein freigetränk für den meister bringen wird. aber nicht, dass du denkst: gläschen wasser oder erfrischungsgetränk, nein, eher genau das gegenteil, sprich: schierlingsbecher, sprich todescocktail. weil du musst wissen. den herren stadtabgeordneten war der meister mit der zeit bedrohlich vorgekommen, ein dorn im auge war er ihnen wohl, ganz ähnlich, wie es ein paar jahrhunderte später auch einen anderen talkmaster übel erwischt hat, nur weil er dinge in die richtung gesagt hat, dass man erst mal den balken im eigenen auge herausziehen soll, bevor man am splitter im nachbarauge herumfummelt. dornen waren da später übrigens auch wieder mit im spiel.

zurück zu unserem meister. der sitzt also mit seinen gästen im gefängnis und wartet auf den tod. und jetzt denkt man ja normal: tod ist schon ziemlich ding. aber ich muss ehrlich sagen: unser gedanken-sherlock hat in seinem gedankenstübchen tüchtig aufgeräumt, ist ruhig und gelassen wie ein fernseher bei stromausfall. weil er ist der überzeugung, dass der tod nur eine art übergang darstellt und die sendung immer weitergeht. ich möchte dir das jetzt einmal mit einem wackligen bild erklären: die bildröhre ist irgendwann im eimer und so ein gerät hat nur eine begrenzte lebensdauer, aber der sender sendet sein programm natürlich fröhlich weiter, das leuchtet einem jeden ein.

nun gab es bekanntlich in der antike keine fernseher. musste der gedanken-sherlock seinen gästen, um ihnen seine überzeugung von der unsterblichkeit der seele nahe zu bringen, ein bisschen was anderes erzählen. ich möchte jetzt hier nicht ins detail gehen, aber bei so einer heiklen frage, ob und wie es mit der seele nach dem tod weitergehen wird, da kann auch der meister keinen astreinen beweis liefern, sondern nur in alter derrickmanier drei indizienthesen auftischen. es geht nämlich unter anderem um die richtige erkenntnis der ursachen von werden und vergehen, die natur der seele und das wahrheitsding. schwierige kiste, kann ich dir sagen. das drehbuch liest sich übrigens an manchen stellen recht einfach, bei anderen stellen wiederum ist schwer zu verstehen, warum etwas schwer zu verstehen sein soll, und andere stellen sind ganz einfach schwer zu verstehen. und aufpassen musst du ständig, denn der drehbuchautor hat eine schwäche für ironie, und ich muss ehrlich zugeben, dass mir das recht gut gefallen hat. denn doppeldeutig, das ist der mensch ja auch auf gewisse weise.

jedenfalls: mit viel geschick überzeugt der talkmaster am ende seine gäste davon, dass die seele unsterblich ist und dass man sich einigermaßen korrekt verhalten sollte, weil alternative natürlich endlosschleife in der unterwelt. vielleicht gelingt ihm das auch deshalb so gut mit dem überzeugen, weil damals in puncto seele und seelenwanderung eine ganz andere atmo geherrscht hat. das thema seelenwanderung war damals groß in mode, weil ein paar jahre zuvor zwei außerordentliche berühmtheiten ebenfalls an die wanderung geglaubt hatten. der eine war ein gefeierter popstar gewesen, ein richtiger jim-morrison-typ, der sich später in den ätna geschmissen hat. der andere war eher so ein kauziger zahlenfreak, kennen tust du den bestimmt, aquadrat plus bequadrat soll angeblich von dem sein. und was diese beiden promis so von sich gegeben haben, das hat eben auch unseren drehbuchschreiber, seinen talkmaster und dessen gäste irgendwie berührt.

jetzt, worauf ich die ganze zeit schon hinaus will. irgendwann hatte ich keinen bock mehr, für die prüfungen zu lernen. "undundund", dachte ich, "denk nach." und wie ich so nachdachte, kam ich auf den gedanken, es einfach mal selbst mit so einer seelenreise auszuprobieren. "undundund", dachte ich weiter, "reif für einen urlaub bist du eh, viel kostet es dich nicht und retro ist ja momentan wieder modern." also kontaktierte ich eine fachkraft für seelenwanderungen, eine dame, um genau zu sein, die in rückführungsdingen bewandert war.

und jetzt wirst du natürlich sagen: esoterik. und ich sage dir: ganz richtig. aber dann und wann muss man auch mal bedenken über bord werfen, weil sonst wird man zu einem linealmenschen, der flüsse begradigt oder in einem öden meinungswägelchen auf breiten meinungsstraßen fährt, die andere mit ihren ansichten asphaltiert haben (normalerweise wird an dieser stelle gern ein zitat von diesem englischen dramenschreiber eingefügt - ich glaube, raclette heißt das stück, in dem es vorkommt -, ist mir aber zu blöde jetzt).

ja. ich bin wohl etwas abgeschwiffen. wo sich nun meine seele so alles in ihren früheren leben herumgetrieben hat, dass erzähle ich euch beim nächsten mal.


(der wanderung zweite teil)

11 Comments:

Blogger Patrick said...

Das muss man Ihnen lassen, Herr undundund, Sie nennen die Dinge beim Namen.

12:55 PM  
Blogger lülü said...

Mit großen Augen und offenem Mund staunend.
Hui!
Sowas muss man lesen lassen.

3:17 PM  
Anonymous Anonym said...

da musste ich doch glatt mein nicht-mit-ihnen-reden-wollen über bord werfen und vor ihnen meine tarnkappe ziehen!

5:10 PM  
Blogger undundund said...

@ kopffuessler: ich hatte bei den fetzen damals nur einen jokus machen wollen, später ist bei mir dann ein groschen bzw. cent-stück gefallen, also quasi wer sie sein könnten & deshalb den jokus sicher anders verstanden haben. scusi.

5:50 PM  
Blogger undundund said...

interessant wird es ja meistens bei den dingen, die keinen namen haben, herr patrick. ich könnte ihnen da einige nennen.

8:59 PM  
Anonymous Anonym said...

hm, jetzt werd ich unsicher. wer bin ich denn ihrer meinung nach?

10:01 PM  
Blogger undundund said...

sie sind frau kopffuessler, natürlich. (kann auch gut sein, dass ich mich täusche ;)

3:21 AM  
Anonymous Anonym said...

Für mich am erstaunlichsten sind seine angeblich letzten Worte:

"O Kriton, wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig, entrichtet ihm den und versäumt es ja nicht."

2:41 PM  
Blogger undundund said...

haste damals schon mitgemischt, wie.

9:08 PM  
Anonymous Anonym said...

hach, herrlich herrlich liest sich das. schwelg. ich würde es ja im eigenen blog verlinken, wenn ich grund zur annahme hätte, dass das da IRGENDWER lesen täte. habe ich aber nicht. mache ich also nicht.
zum glück ist der zweite teil schon da, da kann ich direkt weiterlesen. wie schön!

3:54 AM  
Blogger undundund said...

ja vielen dank für das kompliment, frau nebelherz.

12:30 PM  

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